Der Gemeinderat beantragte der Einwohnergemeindeversammlung vom 18. November 2022 einen Verpflichtungskredit in der Höhe von CHF 500’000 für den Ersatz der Bünzbrücke Tieffurt. Nachdem ein Rückweisungsantrag auf Überarbeitung des Projekts mit 68 Ja gegen 81 Nein-Stimmen abgelehnt worden war, wurde der Kredit mit 90 Ja- zu 56 Nein-Stimmen angenommen.

Gegen diesen Entscheid wurden bei der Gemeindeabteilung des Departements Volkswirtschaft und Inneres als zuständige Beschwerdeinstanz Anfang Dezember 2022 zwei Beschwerden eingereicht. Auf die eine konnte nicht eingetreten werden, da die Eingabefrist verpasst wurde. Bei der anderen Beschwerde verlangten die sechs Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer die Aufhebung des Beschlusses und eine Wiederholung des Verfahrens. Der Antrag wurde hauptsächlich damit begründet, dass das Beschlussverfahren mit Mängel behaftet durchgeführt worden sei. Der Versammlungsleiter habe Vertretern der Besitzerfamilie des Areals Tieffurtmühle erlaubt, sich an der Versammlung zum Gegenstand des Kredits zu äussern. Dabei habe es sich um nichtstimmberechtige Personen gehandelt. Diese hätten dann in unzulässiger Weise Werbung für das Vorhaben gemacht. Zudem waren die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer der Ansicht, dass sich die nicht stimmberechtigten Vertreter der Besitzerfamilie während der Abstimmung in den Ausstand hätten begeben müssen, da sie ein unmittelbares und persönliches finanzielles Interesse am Verhandlungsgegenstand hatten. Damit seien die Versammlungsteilnehmenden massiv unter Druck gesetzt worden. Mit der Verletzung der Ausstandspflicht sei eine unbeeinflusste Stimmabgabe nicht gewährleistet gewesen.

Die Beschwerdeinstanz stellt fest, dass die Gemeindeversammlung grundsätzlich öffentlich ist. Nicht stimmberechtigte Fachleute dürften zu einem Projekt Erläuterungen und Informationen abgeben und auch Fragen aus der Versammlung beantworten. Im vorliegenden Fall spreche nichts dagegen, den Vertreter der Besitzerfamilie als Fachperson zu qualifizieren. Er stand für Fragen der Gemeindeversammlung zur Verfügung und nahm somit nicht nur als Gast, sondern auch als Auskunftsperson in eigener Sache an der Gemeindeversammlung teil. Wenn eine in diesem Sinne beigezogene, nicht stimmberechtigte Person Fragen zur Vorlage beantwortet, handle sie im Auftrag des Versammlungsleitenden als Fachperson. Die Beschwerdestelle kommt nach der Prüfung der Aussagen des Vertreters der Besitzerfamilie zum Schluss, dass dessen Aussagen nicht über eine allgemeine Information hinausgehen und damit als rechtlich unproblematisch einzuordnen sei. Somit liege bei dessen Äusserungen anlässlich der Gemeindeversammlung keine Verletzung einer Verfahrensvorschrift vor und der Vorwurf der unzulässigen Mitwirkung eines Gastes sei unbegründet.

Bezüglich der vorgeworfenen Verletzung der Ausstandpflicht führt die Beschwerdeinstanz aus, dass nach dem Wortlaut der Bestimmungen des Gemeindegesetzes nur Stimmberechtigte – einschliesslich derer Angehörigen – vor der Abstimmung das Versammlungslokal verlassen müssen. Gemäss einem Kreisschreiben des Kantons betreffend Einbürgerungen in Gemeindeversammlungen von 2002 haben jedoch bei offenen Abstimmungen auch die einbürgerungswilligen Personen samt ihren Ehegatten, ihren Eltern sowie ihren Kindern mit ihren Ehegatten vor der Abstimmung den Saal zu verlassen. Ob diese Regelung auch für alle anderen Vorlagen anwendbar wäre, hat die Beschwerdeinstanz offengelassen, da es für den vorliegenden Fall nicht massgebend ist.

Gegenstand der vorliegenden Vorlage war die Sanierung oder Ersetzung einer Brücke inklusive Wasserleitung. Dies führe lediglich dazu, dass eine Verbindung (mittels einer Brücke für den Langsamverkehr) zum weiteren Gemeindegebiet erhalten bleibt. Dies gilt allerdings gleichermassen für alle Anstösser. Im Weiteren könne die Brücke auch von der Allgemeinheit für die Durchfahrt genützt werden. Es handle sich folglich um kein besonderes persönliches Interesse der Besitzerfamilie der Tieffurtmühle. Es stehe hier, wie allgemein bei Erschliessungsprojekten, das öffentliche Interesse im Vordergrund. Eine Ausstandspflicht sei deshalb nicht gegeben.

Die Gemeindeabteilung des Departements Volkswirtschaft und Inneres kommt zusammenfassend zum Schluss, dass keine Verfahrensfehler vorliegen und weist die Beschwerde ab. Der Entscheid ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Der vollständige (jedoch anonymisierte) Beschwerdeentscheid kann hier eingesehen werden.

Kommentar des Gemeinderates:

Mit dem nun vorliegenden Beschwerdeentscheid bestätigt die Gemeindeabteilung des Departements Volkswirtschaft und Inneres die korrekte Durchführung der letzten Gemeindeversammlung. Die Stimmberechtigten werden nun im Rahmen der Referendumsabstimmung am 18. Juni 2023 über den Verpflichtungskreditantrag von CHF 500‘000 für den Ersatz der Bünzbrücke abstimmen können. Die Botschaft zur Referendumsabstimmung wird den Stimmberechtigten zusammen mit den eidg. und kantonalen Vorlagen zugestellt.